Wenn es um die Gartengestaltung geht, ist Kunstrasen hierzulande noch kaum ein Thema. Nicht nur, dass es den meisten nicht in den Sinn kommt, sich „Plastik“ in den Garten zu legen, eine fachgerechte und vor allem brauchbare Verlegung von Kunstrasen ist nicht nur wegen des Materials eine kostspielige Sache. Dennoch lohnt es, dem Thema Kunstrasen eine objektive Betrachtung zu schenken.
„Plastik im Garten“ ist einer der Hauptvorbehalte gegen das künstliche Grün. Doch dieser Vorbehalt ist in mancher Hinsicht kaum mehr angemessen. Was die Optik anbelangt, gibt es Kunstrasenprodukte, die sich nicht mehr von einem gut gepflegten, natürlichen Rasen unterscheiden lassen. Zugegeben, es gibt kaum eine Rasenfläche, die so gepflegt wird, dass sie der Optik eines Kunstrasens entspricht. Bis hin zu einem leichten Rasenfilz aus gelblichen Synthetikfasern imitieren einige Kunstrasenprodukte jedoch einen frisch gemähten und gepflegten Rasen perfekt. Nicht so perfekt trifft der Kunstrasen das Gefühl, über einen Rasen zu laufen. Dabei sind die Fasern jedoch keineswegs picksig oder unangenehm zu begehen, es fehlt Ihnen lediglich das Natürliche (vermutlich die unnachahmliche Mischung aus leicht feuchten Grashalmen die an der Fußsohle kleben bleiben und der leicht nachgebenden Erde…). Optik also gut, Gefühl naja, – und wie sieht es mit der Verlegung aus?
So einfach, wie es sich mancher vorstellt (und wie man es auf Anfrage auch von manchem Anbieter hört), geht es mit der Verlegung leider nicht. Den alten/echten Rasen abschälen und einfach den Kunstrasen ausrollen hört sich zwar verlockend einfach an, ist aber – zumindest für genutzte Flächen – nicht ratsam. Untergründe für Kunstrasen müssen wasserdurchlässig und trittfest sein. Erde fällt zumeist wegen der unzureichenden Wasserdurchlässigkeit aus. Schotter- oder Lavatragschichten haben sich hinsichtlich der Trittfestigkeit als fragwürdig erwiesen (vor allem Einkornmaterialien verschieben sich unter den Matten), weshalb ich derzeit lediglich von einem Untergrund aus Einkornbeton sicher behaupten kann, dass es funktioniert. Dieser wiederum hat allerdings den Nachteil, dass er zum einen aufwendig und teuer und zum anderen hart ist (und daran ändert auch ein aufgelegtes Vlies kaum etwas). Da Kunstrasen derzeit im privaten Bereich noch kaum ein Thema ist, kommt hinsichtlich Technik und Verlegung erschwerdend hinzu, dass man kaum kompetente Unterstützung findet. Mir schien es gelegentlich eher so, dass es den Anbietern mehr um das Verkaufen des Produkts geht, als darum, dass jemand langfristig damit glücklich wird.
Kunstrasen ist also technisch schwierig, teuer, unnatürlich,…. warum lohnt es sich trotzdem, darüber nachzudenken? Ganz einfach auf den Punkt gebracht: Kunstrasen ist eine ehrliche Antwort! Kunstrasen ist eine ehrliche Antwort auf die stetigen Fragen nach möglichst pflegeleichten Gärten. Selbstverständlich muss sich keiner Gedanken über Kunstrasen machen, der grüne Daumen hat oder anstrebt. Ebenso wenig lohnt es sich über Kunstrasen nachzudenken, wenn man fehlende grüne Daumen durch ein hohes Maß an Toleranz gegenüber dem Zustand der eigenen Grünanlage kompensiert. Beides nimmt jedoch zunehmend ab, und an dieser Stelle kommt Kunstrasen durchaus in Betracht.
Wer sich vormacht (und das ist eines der häufigsten Argumente) dass er „das bisschen Rasenpflege schon hinbekommt“, der wundert sich schnell. Eine schöne und nutzbare Rasenfläche (und damit meine ich kein Patting-Green) erfordert einen Pflegeaufwand, der schlicht den meisten Menschen nicht bewusst ist (wöchentliches Mähen, Wässern, Düngen, Vertikutieren,….). Mein erstes Plädoyer geht zwar dahin, dem Garten mehr Zeit und Pflege zu schenken und darüber hinaus auch wieder der Natürlichkeit eines Gartens mehr Toleranz entgegen zu bringen, die Verwendung von Kunstrasen würde ich jedoch nicht kategorisch ausschließen. Vor allem in repräsentativen und nicht oder wenig genutzten Flächen (z. B. in Vorgärten oder an Firmeneingängen) stellt Kunstrasen eine ästhetisch gleichwertige und – entgegen den häufig zu sehenden Schotterflächen – wirklich pflegeleichte Alternative dar.
Fazit: Wer im Garten einen Garten haben möchte und bereit ist, diesem Zeit und ein gewisses Maß an Toleranz zu schenken, darf sich weiter daran erfreuen, dass ihn im Sommer der ein oder andere Halm oder auch mal eine Ameise zwischen den Zehen kitzelt. Wer nach getaner Arbeit von der Lounge aus auf ein jederzeit gepflegtes Grün schauen möchte oder dem puristischen Haus ohne viel Arbeit eine puristische Grünfläche beisteuern möchte, für den ist Kunstrasen eine ernsthafte Überlegung wert.